Fürchterlichste Droge

Es bringt uns nämlich nicht weiter, die rätselhafte Seite am Rätselhaften pathetisch oder fanatisch zu unterstreichen; vielmehr durchdringen wir das Geheimnis nur in dem Grad, als wir es im Alltäglichen wiederfinden, kraft einer dialektischen Optik, die das Alltäglich als undurchdringlich, das Undurchdringlich als alltäglich erkennt. Die passionierteste Untersuchung telepathischer Phänomene wird einen zum Beispiel über das Lesen (das ein eminent telepathischer Vorgang ist) nicht halb soviel lehren, wie die profane Erleuchtung des Lesens über die telepathischen Phänomene. Oder: die passionierteste Untersuchung des Haschischrausches wird einen über das Denken (das ein emientes Narkotikum ist) nicht halb soviel lehren, wie die profane Erleuchtung des Denkens über den Haschischrausch. Der Leser, der Denkende, der Wartende, der Flaneur sind ebensowohl Typen des Erleuchteten wie der Opiumesser, der Träumer, der Berauschte. Und sind profanere. Ganz zu schweigen von jener fürchterlichsten Droge – uns selber -, die wir in der Einsamkeit zu uns nehmen.

— Walter Benjamin

Leave a Comment

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.