From Home

Es ist durchaus kein Selbstläufer, dass Heimat ein Wort voller positiver Konnotationen ist: Es ist auch die Bezeichnung für das Drecksloch, dem man sein Leben lang zu entkommen sucht. 

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Mein Herz ist kaputt

aus: Das Gesicht des Herzpatienten

“Aber ich habe auch niemals auf mein Herz Rücksicht genommen, dachte ich, deshalb ist es ja mit meinem Herzen so weit gekommen, weil ich darauf niemals Rücksicht genommen habe, von Kindheit an nicht, eine Natur wie die meinige hält ein Herz nicht aus, sagte ich mir, es ist früh krank, geschwächt, weil es von Kindheit an missbraucht worden ist, ich habe mein Herz frühester Kindheit an missbraucht und es immer überanstrengt, dachte ich, ihm niemals Ruhe gegönnt. Mein Herz hat die Ruhe, die es haben müsste, niemals kennengelernt, dachte ich, jetzt ist es kaputt”

— Thomas Bernhard, Auslöschung,  

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Name Your Condition

Anomie is our condition, Anomia is our curse, Anomaly is our profession. Or to put it another way: our scabrous individuality consists of trying to name our condition.

From: cioran fall into time

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Gesagt hat er nichts mehr

 

In den letzten Lebensjahren hat Pound so gut wie nicht mehr gesprochen. Er war sehr versunken in seiner Stummheit. Auch mit seiner Lebensgefährtin Olga Rudge hat er nur das Nötigste geredet. Meine letzte Begegnung mit ihm war kurz vor seinem Tod in Venedig. Im Restaurant bestellte Olga für ihn das Essen. Als es auf dem Tisch stand, sagte er: „Was ist das? Hast du das für mich bestellt?“ Sie zischte: „Ja, Ezra, iss es!“ Bei meiner Abreise bestellte Olga eine Gondel, die mich zum Bahnhof bringen sollte. Pound fuhr mit und wollte, obwohl er schon betagt war, unbedingt meinen schweren Koffer tragen. Er hat sich mit einem Gepäckträger am Bahnhof fast darum geprügelt. Aber gesagt hat er nichts mehr.

— Eva Hesse über die letzten Jahre von Ezra Pound

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The Door Of Perception

If the doors of perception were cleansed every thing would appear to man as it is, Infinite. For man has closed himself up, till he sees all things thro’ narrow chinks of his cavern.

— William Blake

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Die Große Soziale Frage

St. Petersbury,, found September 2019

 

Die große soziale Frage ist die, ob die Glaswand immer das Fest der Wundertiere umhegen wird, ober ob nicht die unbekannten Leute, die gierig in der Nacht mit dem Blick etwas zu erhaschen suchen, eines Tages kommen, sie aus dem Aquarium holen und verspeisen werden.

— proust, Im Schatten junger Mädchenblüte, Erster Band, Seite 897

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Die Mehrheit hat immer nur Unglück gebracht

Nicht weil sie die Mehrheit ist, ist sie zeitgemäß, dachte ich, wie geglaubt wird und aus diesem Glauben gehandelt wird, sehr oft zum Nachteil ihrer Zeit, auch eine oder die Minderheit kann zeitgemäß sein und sehr oft viel zeitgemäßer als die Mehrheit und ist es fast immer, auch ein Einzelner kann zeitgemäßer als die Mehrheit sein und im Grunde ist er sehr oft der Zeitgemäßeste. Die Mehrheit hat immer nur Unglück gebracht, dachte ich, auch heute verdanken wir unser Unglück, wenn es ein solches ist, der Mehrheit. Die Minderheit oder auch nur der Einzelne werden ja gerade deshalb von der Mehrheit erdrückt, weil sie viel zeitgemäßer handeln als die Mehrheit. Die zeitgemäßen Gedanken sind immer unzeitgemäß, dachte ich.

— Thomas Bernhard, Auslöschung

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